ca. 103 km

Dieser Tag begann so, wie der vorige aufgehört hatte: Sturm über der Ardmair Peninsula. Der Himmel war komplett bedeckt, es war kühl, regnete aber nicht, zumindest vorerst. So brach ich alsbald nach Norden auf, wohlwissend, dass ich unterwegs nur wenige Orte treffen würde. Man befindet sich auf einer Strecke ins Inland, die tendenziell ansteigt. Da man verschiedene Flußtäler durchquert, geschieht dies nicht ganz gleichmäßig. Zunächst muss man vom Meer einen flach ansteigenden Hügel (gut 60 m Höhe) überwinden, um danach das Tal des River Canaird zu durchqueren. Die Strasse wechselt bei Strathcanaird auf der Anhöhe das Tal hinüber zum Nebenfluß River Runie, steigt weiter auf 120 m an, und führt dann flach an einem kleinen See vorbei bis Drumrunie, nachdem man den River Runie überquert hat.

Danach geht es deutlich weiter bergauf bis auf 260 m, auf der Höhe streift die Strasse eine ganze Seenlandschaft. Dann geht es hinunter nach Elphin auf etwa 140 m, man passiert den Cam Loch und trifft schliesslich in Lismore auf die Hauptstrecke von Tain nach Durness. Auffällig an dieser Gegend ist, dass aus der Ebene zum Meer hin immer wieder einzelne, isoliert stehende massive Bergklötze aufragen, gut zu erkennen z.B. bei der Durchfahrt durch Elphin. Weiter führt die Strasse nur leicht hügelig am Loch Awe vorbei und bleibt dann im Tal des River Ioanan, den man bis zum Loch Assynt auf knapp 80 m Höhe hinunterfährt. In diesem Tal jagten zwei Kampfjets im Tiefflug mit ohrenbetäubendem Lärm über meinen Kopf hinweg. Man sollte von menschenleeren Gegenden nicht zu viel Romantik erwarten, sie sind trefflich zum Einsatz der Afterburner geeignet.

Die Romantik kehrte zurück, als ich die Ruine von Ardvreck Castle auf einer Halbinsel im Loch Assynt erblickte. Einen schöneren Platz für eine Burg kann man sich nicht aussuchen, allein dafür hat sich die Strecke gelohnt. Im kleinen Ort Skiag Bridge hätte ich am See entlang zum Meer fahren und dort zelten können. Ich hielt allerdings Kurs nach Norden und bog schnurstracks in die nächste Steigung ein. Es geht auf kürzester Distanz steil auf 220 m hinauf, verflacht dann, um bei über 260 m den Scheitelpunkt zu erreichen, es war der höchste Punkt des Tages. An einem Bergsee vorbei geht es danach in einer markanten Serpentine steil bergab. Hier eröffnete sich ein phantastischer Blick auf einen weiteren isoliert stehenden Bergriesen, den 808 m hohen Quinag, dessen oberste Spitze in Wolken gehüllt war. Auf der Karte kann man erkennen, dass dies ebenfalls ein perfekt ausgebildetes eiszeitliches Kar ist, dessen Öffnung nach Nordosten weist. Der kleine Parkplatz oberhalb der Serpentine ist der ideale Ort für Panoramafotos.

Von diesem Punkt war auch gut zu sehen, dass sich am Horizont, genau in meiner Fahrtrichtung, etwas zusammenbraute. Die Strasse führt bergab bis auf Meereshöhe nach Unapool und Kylesku und überquert dort einen Kreuzungspunkt von drei Fjorden: Loch Glencoul, Loch Glendhu und Loch Gleann Dubh. Bei der Fahrt entlang des Loch Glencoul hatte ich eine wunderschöne Sicht auf die umliegenden Berge, leider getrübt durch einen Schauer, der gerade am Ostende des Sees herunterkam. Weiter über den kleinen Hügel zwischen Unapool und Kylesku öffnet sich der Blick in die andere Richtung meerwärts. Als ich auf die Kylesku Bridge fuhr, erfasste mich der Wind so stark, dass ich fast zum Stehen kam. Ich musste mich gegen ihn lehnen, um nicht umgeworfen zu werden. Obwohl der Wind direkt von der Seite und nicht von vorne kam, konnte ich nur im Zeitlupentempo über die Brücke kriechen. Am anderen Ende fuhr ich in eine in den Felsen geschlagene Schneise ein und musste höllisch aufpassen, dass ich bei plötzlichem Windschatten in meiner Seitenlage nicht das Gleichgewicht verliere.

Ich schaffte es gerade so und durfte gleich schon wieder in den nächsten steilen Anstieg auf 100 m Höhe. Es ging etwas sanfter bergab bis zu einem langgezogenen See und gleich wieder krachend bergauf auf fast 100 m. Die Hügel nahmen kein Ende, wenn auch nicht mehr so hoch, flache Abschnitte gibt es bis Scourie fast keine. Kurz vor Scourie geht es zum dritten mal bis auf fast 100 m hinauf. Es war der kräftezehrendste Abschnitt auf diese Etappe. Immerhin blieb ich trocken, wieder hatte mich das Glück durch die Regenschauer hindurchgemogelt. In Scourie liegt das einzige Camp direkt an der Strecke zwischen Ardmair und Durness. Ich überlegte, ob ich Halt machen sollte, es waren noch gut 40 km bis Durness. Da es aber noch nicht so spät war, entschied ich mich nur für eine kleine Pause. Ein schönes Cafe zum Aufwärmen fand ich leider nicht, immerhin einen kleinen Shop, um mich mit einem Power-Riegel zu stärken.

Weiter geht es sehr schön am Loch a' Bhadaidh Daraich entlang, kurz darauf der nächste steile Anstieg auf über 100 m. Es geht dann vorbei an mehreren Seen, ganz sanft bergab bis auf Meereshöhe zu einer Kreuzung bei Laxford Bridge. Hier kommt die Strasse von Lairg herein. Laxford Bridge nahm ich nicht wirklich als Ort wahr, es waren ein paar verstreute Häuser in einer sehr einsamen Gegend. Über den River Laxford, ein Stück an ihm entlang, geht es rechts um die Kurve gleich wieder berghoch. Am Anfang steil bis auf 50 m, danach kaum merklich und langgezogen weiter auf etwa 70 m Höhe. Es war der Moment, an dem die Anstiege begannen wehzutun. Schön ist die Fahrt auf einem Damm über den Loch na Thull. Halb erleichtert, halb ehrfürchtig kam ich in Rhiconich am Loch Inchard an, ich wusste, dass mich nun nur noch ein Berg von Durness trennte, der war aber nicht ohne.

Zunächst wurde ich durch eine S-Kurve 60 steile vertikale Meter nach oben geschickt, dann geht es aber wesentlich sachter am Hang eines Flußtales über die 100 m Höhenlinie hinaus, weiter aufwärts zum Ursprung des Flüßchens, dem Loch Taebhaidh, und schliesslich zur Wasserscheide am Gualin House auf 190 m Höhe. Hoch am Hang bog ich in das weite Tal des mäandrierenden River Dionard ein. Hier oben war es fast gespenstisch, die Gegend war in Nebel gehüllt, aus dem es ganz fein nieselte, und es war richtig kalt. Es dauert ein Stückchen, bis es spürbar bergab geht, hinter der Brücke über den Fluß hatte ich dann aber bald den Kyle of Durness erreicht. Hier wurde es etwas heller, die Kälte blieb.

Reichlich abgekämpft erreichte ich nach gut 100 km das Camp von Durness. Wen traf ich dort wieder? Den freundlichen Radler aus Frankreich, der mir Beifall klatschte und "Bravo" zurief, aber er hatte es ja gewusst. Ich war nassgeschwitzt, angesichts der Kälte musste ich mich trotzdem überwinden, unter die Dusche zu gehen. Danach packte ich meine wärmsten Sachen aus, unter anderem ein Skifahrer-Unterhemd, wickelte mich in den Schlafsack und bediente den Kocher aus dem Zelt heraus. Langsam wurde mir wieder warm, nun konnte ich den schönen Abend richtig geniessen.

Camping Durness auf OpenStreetMap

Ardmair - Kylesku - Durness