ca. 89 km

Als ich am nächsten Morgen meinen Zeltplatz bezahlte, war auf meiner Rechnung ein Motorbike aufgeführt. Auf meinen Einwand, ich habe nur ein Pushbike, entgegnete die Campwärterin schroff in bestem schottischen Stakkato-englisch: "It doesn't mattrrr". Dies war sicher nicht repräsentativ für die generell freundliche und respektvolle Art, mit der ich in ganz Großbritannien behandelt wurde. An diesem Tag beschloss ich, noch einen kleinen Bogen durch Argyll und Bute zu machen. Es war zwar am Morgen noch etwas bewölkt, aber das war mir nach der Wärme der letzten Tage beim Radeln gar nicht mal unwillkommen. Trotzdem fühlte ich mich müde und war schon wie am Vortag ziemlich Kamerafaul.

Ich nahm die Abzweigung nach Balliemore und fuhr durch ein Tal in die Berge hinein. Ein kurzer steiler Abschnitt vor Clachaig ist dabei, danach geht es eher gemütlich auf die Höhe von 120 m hinauf. Nach einer Weile traf ich auf den Loch Tarsan, der künstlich angelegt ist. Die beiden Staumauern und das Wasserkraftwerk sind gut zu erkennen. Dann geht es hinunter auf Meereshöhe zum Loch Striven nach Balliemore. Noch bevor ich in die Kurve zur Umrundung des Nordufers einbog, konnte ich die steil ansteigende Strasse auf der anderen Uferseite erkennen. Als ich mich diesen Hang hinauf kämpfte, bemerkte ich, dass es mir langsam zuviel wurde und ich die Lust am Radeln verlor. Mir war eher nach gemütlichem Ausrollen zumute, aber hier musste ich wieder bis auf 150 m hinauf.

Im nächsten Ort Auchenbreck traf ich auf die Strasse, die mich nach Süden zur Isle of Bute bringen sollte. Noch vor der Kreuzung kann man am Ortsanfang eine kleine Abkürzung nach links nehmen, damit spart man sich einen Hügel auf der Hauptstrasse. In Springfield, zu Beginn des Loch Riddon, zweigt dann eine kleine Strasse ab, die parallel zur Hauptstrasse verläuft und die verstreut liegenden Häuser von Fearnoch verbindet. Diese war auch auf meiner Karte eingezeichnet und ersparte mir den erneuten Anstieg auf die Höhe von 100 m. Die kleine Nebenstrasse war zwar wunderbar ruhig und ging nur auf 60 m hinauf, aber da waren ein paar kurze giftige Anstiege, von denen einer so steil war, das er zum Rekordhalter meiner Schottland-Tour wurde und mir fast der Atem stockte.

Genau das falsche für das Motivationsloch, in dem ich mich befand. Lustlos rollte ich bergab nach Colintraive - und immerhin: da war sie, die Fähre hinüber zur Isle of Bute. Sie ist der Ersatz für die fehlende Brücke und vergleichbar mit kleinen Autofähren auf Flüssen, viel breiter war die Stelle am Kyles of Bute auch nicht. Entsprechend schnell war die Sache erledigt und ich konnte auf der anderen Seite in Rhubodach auf das Ostufer der Isle of Bute rollen. Aber ich radelte weiter lustlos vor mich hin und hatte nur noch im Sinn: bloss nicht wieder so eine Steigung wie vorhin. Zur Kamerafaulheit gesellte sich nun auch die Radelfaulheit hinzu. Die Strecke ist tatsächlich sehr einfach, auf der anderen Uferseite sah es wesentlich gebirgiger aus. Ausser einem kleinen Anstieg bei Ardmaleish ging es auf meiner Seite sehr gemütlich zu, und nach 13 km hatte ich Rothesay, den Hauptort der Insel, erreicht.

Eigentlich standen alle Zeichen auf Ausruhen und Zelt aufschlagen, aber auf der Isle of Bute gibt es nur ein einziges Motorcamp westlich von Rothesay am Canada Hill. Laut meiner Karte gab es dort nur Mobile Homes, und ich hatte keine Lust, den Hügel zu erklimmen, um zu prüfen, ob es eventuell auch möglich ist, zu campen. Aktuell sehe ich auf der Website des Roseland Caravan Park, dass tatsächlich ein Camping Tarif für Zelte angeboten wird. Meine Karte zeigte mir dafür einen Zeltplatz auf der gegenüberliegenden Seite des Festlandes an. Und so entschloss ich mich, nach kurzer Pause die nächste Fähre zu nehmen und der Inselwelt Goodbye zu sagen. Ich konnte noch einmal standesgemäss mein Rad im Bauch des Schiffes abstellen, und nach 35 Minuten war ich wieder an der gleichen Küste, von der ich auch gestartet war.

Die Suche nach einem Camp in Wemyss Bay und Skelmorlie verlief aber wenig erfolgreich. Im ersten Ort wieder nur Mobile Homes. Hinter Skelmorlie wurde ich eine Seitenstrasse bergauf geschickt, die so steil war, dass ich ein Stück schieben musste. Am Ziel angekommen sah ich eine eingezäunte Wiese, darauf ein Auto mit Campern, und davor ein verrostetes und ziemlich heruntergekommenes Toilettenhäuschen. Nicht wirklich einladend, also rollte ich wieder zurück und fuhr weiter nach Süden, in der naiven Hoffnung, es würde sich schon etwas finden. Die Fahrt entlang der Küste war wunderschön, auch das Wetter hätte nicht besser sein können, der Himmel war ab dem Nachmittag komplett wolkenfrei. In Largs hätte ich gerne Rast gemacht, die Stadt wirkte auf mich sehr einladend, es gibt viele Golf- und Yachtclubs, nur leider kein Camp. Es gibt offenbar eine Zeltwiese südlich von Largs, wie ich auf OpenStreetMap gesehen habe.

Und es wurde immer später, deswegen musste ich etwas Tempo zulegen. Nach dem Passieren von West Kilbride hatte ich eine schöne Strecke direkt am Meer. Die Sonne schien über dem Wasser und brachte dessen Oberfläche zum glitzern. Erst da fiel mir auf, dass es überhaupt keinen Wellengang gab, es herrschte absolute Windstille. Mein Blick fiel auf eine Hafenanlage, die mir irgendwie bekannt vorkam - es war Ardrossan. Diese Szene war wie eine Einladung, nochmal nach Arran überzusetzen, Schottland zeigte sich von seiner allerbesten Seite. Im Nachbarort Saltcoasts versuchte ich dann mein Glück auf dem Sandylands Holiday Park, wurde aber abgewiesen, alles voll. Jetzt schwante mir, dass ich wohl noch bis Prestwick fahren musste, meine Karte wies nichts anderes mehr auf.

Deswegen musste ich mich wieder auf den Zickzack-Kurs landeinwärts Richtung Irvine begeben. Als ich auf den Ort zufuhr, erblickte ich auf der rechten Seite zwei Caravans auf einer Wiese. Ich fuhr hinein und sah mehr davon. Es sah für mich aus wie eine zum Campen freigegebene Wiese. Ich fragte einen der Camper, ob es erlaubt sei, hier zu übernachten. Dies wurde freudig bejaht, mit dem Hinweis, das es hier leider keine weiteren Einrichtungen gäbe. Ehrlich gesagt war mir das fast lieber als das heruntergekommene Toilettenhäuschen oberhalb Skelmorlie. So liess ich mich nieder und hatte auch noch Gesellschaft anderer Camper, die auf mich aufpassten. Wieder mal Glück gehabt. Diese Möglichkeit scheint aktuell noch zu existieren, wie die unten verlinkte Karte zeigt.

Campingplätze Stevenston / Irvine auf OpenStreetMap

Invereck - Rothesay - Irvine