ca. 96 km

Beim Aufstehen bestes Wetter auf dem Campingplatz von Brora, so dass die Strapazen des Vortages schon fast vergessen waren. Wir teilten uns auf wie am Tag zuvor: Freddie und ich radelten los, sein Kamerad nahm den Zug. Wir hatte beide die gleiche Richtung, auch wenn uns im zweiten Teil die Routenwahl trennen sollte. Südlich von Brora ist es zwar leicht hügelig, aber es war angenehm zu fahren. Beim Dunrobin Castle geht es mal auf die 60 m Terrasse hinauf, gleich anschliessend wieder hinunter nach Golspie. Weiter geht es flachwellig am Fuße der Hügel bis zur markanten Überquerung des River Fleet auf einem Damm mit der Bezeichnung "The Mound".

Die Bahnlinie macht dies nicht, sondern folgt dem Flußlauf ins Inland bis Lairg, um von dort in grossem Bogen nach Tain zurück zur Küste zu kommen. Das machte mir ein wenig Kopfzerbrechen. Tatsächlich geht es aus dem Tal heraus in die hügelige Umgebung, aber bei 100 m Höhe ist es schon vorbei mit der Steigung. Ein Stück radelt man auf der 100 m Höhenlinie entlang, dann get es sanft bergab, zunächst über den kleinen River Evelix. Kurz danach über den umso grösseren Dornoch Firth auf der gleichnamigen Brücke. Es ist eine Kombination aus Brücke und Damm, insgesamt etwa 1300 m lang, die erst 1991 eröffnet wurde. Auf der anderen Seite wird der Verkehr sofort in einem grossen Kreisverkehr, dem Meikle Ferry Roundabout, verteilt.

Dies führte uns auf direktem Wege nach Tain, wo wir die Gelegenheit nutzten, uns beim Mittagessen zu stärken. Wir waren uns einig, dass die fehlende Mahlzeit am Vortag wohl ein Grund für unsere schlechte Verfassung beim Durchqueren der Berge war. Tain ist eine hübsche Stadt, und für Nordschottland schon etwas Grösseres, es lohnte sich, hier anzuhalten. Bald ging es aber weiter auf nahezu flacher Strecke zu einem weiteren Kreisverkehr, an dem sich unsere Wege trennten. Freddie wollte auf direkter Route über Beauly nach Loch Ness, ohne durch Inverness zu fahren. Mein Plan war es dagegen, über Nebenstrassen nach Inverness zu fahren und dabei noch einmal Boot zu fahren. Ich verabschiedete mich von ihm und bog auf die Nebenstrasse nach Ankerville und Nigg ab.

Es war eine Wohltat, auf dieser ruhigen Strecke ohne Hektik entlangzurollen. Nach der langen Rechtskurve um Ankerville herum wehte mir allerdings immer stärker der Wind ins Gesicht, auf den letzten 6 km zur Anlegestelle der Nigg Ferry wurde der Gegenwind zum Dauergebläse. Es gab aber auch keinen Grund zur Eile, die Fähre lag auf der anderen Seite in Cromarty und bewegte sich nicht, offenbar war hier noch Mittagspause. Nach einer Stunde kam sie dann herübergefahren, später sah ich, dass ein genauer Fahrplan am Fähranleger aushing. Es war zwar nur ein kurzes Stück über den Cromarty Firth, aber ich konnte mein Rad und mich mal wieder Boot fahren lassen, das fehlte mir langsam.

In Cromarty angekommen musste ich mir den Weg in Richtung Fortrose suchen. Es sah auf der Karte etwas bergig aus, und es geht tatsächlich sofort aufwärts. Steil ist es aber nur im ersten Teil, dann geht es gleichmäßig und nicht übermäßig schwer hinauf, immerhin bis auf 160 Höhenmeter. Die Gegend wirkt sehr einsam, es fahren kaum Autos, und man fährt ein gutes Stück durch Wald oder an dessen Rand entlang. Ich radelte bergab um eine scharfe Linkskurve, danach verengten sich die Flanken der umgebenden Hänge, und ich war in einem kleinen bewaldeten Flusstal angekommen. Kurz darauf fuhr ich in einen Ort ein, der mir vorkam, wie ein gut renoviertes Relikt aus dem Mittelalter, voll von Touristen: Rosemarkie. In dieser Umgebung hätte man einen Robin Hood Film drehen können.

In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich Fortrose, schön in einer Bucht des Moray Firth gelegen. Von einer kleinen Parkbank hatte ich eine so wunderbare Aussicht, dass ich gleich noch einmal eine Pause einlegte. Die Gegenseite des Meeresarms mit dem Inverness Airport liegt hier so nah, dass es mich wunderte, keine Fähre zu finden - ich hätte sie glatt benutzt. Stattdessen musste ich meinen Weg durch das hügelige Gebiet fortsetzen. Zunächst auf einer flachen Uferstrasse am Fuss eines Steilhanges entlang bis nach Avoch, dann durch das Hinterland nach Munlochy. Dort nahm ich eine kleine Seitenstrasse als Abkürzung, die kurz vor Charleston in die vierspurige Hauptstrasse nach Inverness mündet. Wie so oft vor grösseren Städten fragte ich mich dann, ob man hier auch an die Radler gedacht hat.

Man hat - ich musste nur genau auf die Schilder achten. Es geht durch einen Tunnel unter der Schnellstrasse, dann fädelt man auf die rechte (!) Strassenseite ein. Dort ist eine mit Leitplanken abgeteilte Fahrbahn für Radfahrer, die oberhalb von Charleston und dem Beauty Firth direkt auf die imposante Kessock Bridge führt. Am Nordende ist die Brücke sehr hoch - etwa 40 m über dem Wasserspiegel - so dass ich eine phantastische Aussicht auf den Beauty Firth und Inverness hatte. Allerdings blies der Wind dort so heftig von der Seite, dass ich das Rad nur ganz vorsichtig über die Brücke rollen liess. Anschliessend müsste ich noch den Campingplatz von Inverness finden. Das lief angesichts dessen, dass dies bislang die grösste Stadt auf meiner Tour war, überraschend reibungslos. Den Bught Park hatte ich neben dem Queens Park Stadion recht schnell ausfindig gemacht, bloss den Eingang fand ich nicht sofort. Der Platz war zwar gut besucht, aber für eine grosse Stadt war es dort nicht zu voll.

Camping Inverness auf OpenStreetMap

Brora - Inverness