ca. 84 km

Auch wenn Deutschland am Vorabend das WM-Halbfinale verloren hatte, die Sonne schien, und ich hatte die besten Voraussetzungen zum weiterradeln. Von Lochgilphead ging es durch saftig grüne Täler mit nur wenigen Hügeln nach Norden, es war das Paradies für den Tourenradler und perfekt zum warmradeln. Kurz vor Kilmartin musste ich eine kleine Stufe hinauf, Zeit für eine Pause in dem schon von weitem sichtbaren Ort mit markanter Silhouette. Von der Terrassenkante aus ist der Blick auf das Umland geradezu phänomenal. Grün in allen Farbabstufungen, dazwischen viele weiße Tupfer der Schafherden.

Nördlich von Kilmartin erreicht man eine Abzweigung, die rechts zum langgezogenen Loch Awe und weiter ins Inland führt. Ich hielt mich links in Richtung Kilmelfort und Oban. Danach wird das Tal enger und man überschreitet bald die 100 Höhenmeter. Irgendwann geht es dann nach links aus dem Tal heraus auf etwa 150 m, kurz danach aber schon wieder hinunter nach Kintraw, ganz nah am Loch Craignish vorbei. Damit hatte ich erstmals die Westküste zur offenen See erreicht, auch wenn es hier vor Inseln nur so wimmelt. Ich durfte gleich wieder hinauf, um die Landzunge von Craignish zu queren, das war aber nicht so schwierig. Danach war ich dann wirklich an der Küste.

Die Straße ging ein Stück flach, dann kurbelte ich mich mit viel Schwung über die Felsnase von Arduaine hinüber zum Loch Melfort. Dies ist ein sehr schöner Abschnitt mit einigem Auf und Ab, ich vergaß leider das Fotografieren. In Kilmelford erreicht man dann wieder das Landesinnere. Der Ort wird beherrscht von einem Gutshof mit großer vorgelagerter Weide, auf der mich gleich ganz fotogen zwei Braune begrüßten und mich daran erinnerten, dass ich auch eine Kamera dabei hatte. Von hier muss man sich zum 60 m höher gelegenen, kleinen Loch nan Druimnean hochkurbeln. Weiter geht es zum 120 m hoch gelegenen Stausee des River Oude und wieder in einem Bogen nach links über den etwa 150 m hohen Sattel zwischen dem River Oude und dem River Euchar. Letzterer bringt den Radler wieder hinunter auf Meereshöhe zum Loch Feochan.

Der nahe Ozean blies ordentlich Wind in dieses Tal hinein, und ich hatte noch eine dritte Hürde bis Oban zu überwinden. Zunächst aber genoss ich die Fahrt auf der flachen Uferstraße des Loch Feochan am winzigen Ort Knipoch vorbei. In einer weit ausladenden Kehre ging es wieder nach links in den Anstieg hinein. Die Querung der Höhe erfolgt knapp unterhalb der 100 m Höhenlinie und ist durch eine Delle unterbrochen. Nach dem letzten kleinen Anstieg ist es nicht weit, bis man nach Oban hineinrollen kann. Oban ist eine größere Stadt an der Westküste Schottlands, sie bietet eine Vielzahl von Fährverbindungen auf die vorgelagerten Inseln und ebenso auf die südlichen Inseln der Äußeren Hebriden. Sie ist durch die Insel Kerrera vor dem offenen Meer geschützt. Ich kaufte mir am Hafen mein Ticket und begab mich sofort auf die Fähre nach Craignure auf Mull.

Diese Überfahrt war absolut spektakular. Es begann damit, dass der Kapitän die Riesenfähre im Hafen um 180 Grad wendete und den Passagieren so ein Panorama von Oban lieferte, ohne dass sie sich bewegen mussten. Die meisten hatten sich auf dem Sonnendeck niedergelassen. Auch das Durchfahren der engen Hafeneinfahrt bot schöne Motive, meine Kamera war im Dauereinsatz. Draussen auf dem Meer wehte ein kühler Wind, das Sonnendeck war bald schon sehr viel leerer. Wir fuhren durch den Lynn of Lorn, einer Verlängerung des Loch Lynnhe, der die diagonale Hauptverwerfung durch Schottland einleitet, die sich bis zum Loch Ness an der Ostküste fortsetzt (Great Glen Fault). Bald tauchte die Insel Lismore auf, der noch die kleine Eilean Musdile vorgelagert ist, welche mitten in der Schiffahrtslinie liegt - sicher aus gutem Grund mit einem markanten, schneeweissen Leuchtturm ausgestattet.

Zur anderen Seite bot sich ein atemberaubendes Schauspiel. In Dunst gehüllt sah ich die riesigen Hügel der Insel Mull, beim Näherkommen schob sich geadezu gespenstisch eine Burg wie ein Wehrturm aus dem Nebel davor. Die Fähre umkreiste diese, um schliesslich in der Craignure Bay anzulegen. Von nahem sah Duart Castle weit weniger spektakulär aus. Mein Weg setzte sich nach Nordwesten fort, etwa auf halbem Weg zur Landenge bei Salen fand ich das Camp oberhalb der Fishnish Bay und liess mich dort nieder. Ausser dem Camp und seinen Einrichtungen gab es hier nur die Strasse, ich war komplett von Natur umgeben.

Camping nahe Fishnish Bay auf OpenStreetMap

Lochgilphead - Oban - Mull